Interessiert es dich, was Hochsensibilität, Substanzkonsum & MPU miteinander zu tun haben? Kannst du die Gefühle anderer Menschen stark wahrnehmen? Fällt es dir schwer deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen? Fühlst du eine starke Verbindung zu Tieren und der Natur? Denkst du oft, dass du anders bist, ein Alien-Gefühl vielleicht? Fällt es dir schwer, Entscheidungen zu treffen?
Rastest du aus bei Ungerechtigkeit? Bist du schnell erschöpft, wenn du viele Leute um dich hast? Stresst dich grelles Licht, laute Geräusche oder starke Gerüche? Bist du sehr schmerzempfindlich oder leicht erschreckbar? Hast du eine schnelle Auffassungsgabe? Kennst du Sätze wie: „Sei doch nicht so empfindlich! Stell dich nicht so an! Sei nicht so emotional!“ Schottest du dich von deiner Wahrnehmung ab, aus Angst vor Stigmatisierung?
Nimmst du Details in deiner Umwelt sehr genau wahr? Bist du kreativ? Neigst du dazu, viel nachzudenken? Hast du Diagnosen wie Angsterkrankung, Depression, ADHS oder ASP? Benutzt du Drogen, Cannabis, Alkohol oder Z-Drugs, um mal abzuschalten und runterzukommen?
Welcome, Beauty 🙂 Vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen diesen Eigenschaften und dem Grund, warum dir dein Führerschein entzogen wurde und du nun eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) machen musst. Aber lass uns langsam beginnen.
Mit dem Text möchte ich deine Selbsterkenntnis und Selbstannahme fördern und die Anerkennung und Wertschätzung von Hochsensibilität in der Gesellschaft stärken. Dies kann dazu beitragen, dass sich Betroffene besser verstehen und ihre Eigenschaften positiv nutzen können. Wenn du dich schon etwas durch meine Seite geklickt hast, dann weißt du, dass dies generell das Anliegen meiner Blogs ist. Viel Freude beim Erkenntnisgewinn und deinen MPU Tipps.
Was ist Hochsensibilität
Das Konzept der Hochsensibilität wird auch als Hypersensibilität oder Sensorische Verarbeitungssensitivität (SVS) bezeichnet. Das Phänomen wurde erstmals von der Psychologin Elaine Aron in den 1990er Jahren wissenschaftlich untersucht und beschrieben.
Aron schätzt, dass etwa 15-20% der Bevölkerung hochsensibel sind. Neuere Forschungsergebnisse sprechen von rund 30 Prozent (Lionetti et al. 2018). Hochsensibilität wird als Persönlichkeitsmerkmal betrachtet und ist keine Krankheit oder Störung. Es gibt jedoch auch eine starke Verbindung zwischen Hochsensibilität und sequenziellen, interpersonellen Traumata (Bindungs- oder Entwicklungstrauma).
Merkmale von Highly Sensitive Persons (HSP)
Wie verhält sich ein hochsensibler Mensch? Hochsensibilität variiert individuell (low, medium, high) und es gibt keine einheitliche Definition oder Diagnose für das Konzept. Vereinfacht lässt sich sagen, dass dein Spamfilter einfach alles durchlässt.
Du hast dann eine erhöhte Empfindlichkeit und Reaktionsfähigkeit gegenüber äußeren Reizen und emotionalen Empfindungen. Typische Anzeichen sind tiefe Empathie, intensive Wahrnehmung der Umwelt, Empfindlichkeit gegenüber Reizen, tiefe Reflexion und Verarbeitung von Informationen, intensives Erleben von Emotionen, Überstimulation und Rückzug, Kreativität, ein starker Gerechtigkeitssinn, Sensibilität gegenüber Kritik und eine feine zwischenmenschliche Wahrnehmung.
Es ist kein negatives Merkmal, sondern eine Art der Wahrnehmung und kann besondere Stärken und Fähigkeiten mit sich bringen. Wir sprechen heute von Neurodiversität. Du kennst es auch aus der Natur: Was wären wir ohne Biodiversität? Jedes Gehirn ist anders, genau wie unsere Finger.
Es ist wichtig, HSP anzuerkennen, die Bedürfnisse zu respektieren, um ein positives und unterstützendes Umfeld zu schaffen. Aber der erste Schritt ist das du es für dich selber erkennst und dich wertschätzt, um dir und deinen eigenen Bedürfnissen besser gerecht zu werden. Mein Blogbeitrag zu Selbstwert gibt dir den nächsten Nugget.
Körperliche Symptome von Hochsensibilität
Die oben beschriebenen psychischen Merkmale von HSP sind mit körperlichen Symptomen verbunden. Mit einem Traumhintergrund kannst du möglicherweise die Ebenen Körper, Seele und Geist nicht so gut zusammenbringen und nimmst es stärker auf der körperlichen als auf der emotionalen Ebene wahr. Außerdem neigen HSPs dazu, Stress und Überstimulation über körperliche Symptome zu kompensieren (Aron 2005).
In diesem Fall kannst du folgendes empfinden:
- Häufige Müdigkeit oder Erschöpfung aufgrund einer erhöhten Verarbeitung von Reizen.
- Ein höheres Schmerzempfinden, sowohl körperlich als auch emotional.
- Schnellere Reaktion auf koffeinhaltige Substanzen oder Medikamente.
- Neigung zu Stress oder Angst, wenn du mit überwältigenden Situationen konfrontiert wirst.
- Stärkere Reaktionen auf Kälte oder Hitze.
- Verdauungsbeschwerden und Reizdarmsyndrom treten bei einigen hochsensiblen Menschen häufiger auf.
- Eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Allergenen oder bestimmten Nahrungsmitteln.
Wissenschaftliche Erklärungsmodelle für (Hoch)Sensibilität
- Umwelteinflüsse: Erfahrungen in der Kindheit und das soziale Umfeld können die Entwicklung von Hochsensibilität beeinflussen. Traumatische Erlebnisse oder eine reizüberflutende Umgebung können dazu führen, dass Menschen hypersensibel werden. Wenn du dich auf meiner Seite schon etwas umgesehen hast, dann weißt du, dass ich versuche, dass Puzzle der chronischen Entwicklungstraumata zu vervollständigen. Meine Blogs zu Trauma und Sucht oder Bindungsstile und Suchtentwicklung bringen dich auf die Fährte 🙂
- Neurobiologische Grundlagen: Hochsensible Menschen haben möglicherweise eine erhöhte Aktivität und Konnektivität in bestimmten Gehirnregionen, die für die Verarbeitung von sensorischen und emotionalen Reizen verantwortlich sind. Wenn wir Psychotraumatologie, Umwelteinflüsse und neurobiologische Faktoren zusammen denken, wird ein Schuh daraus und wir landen möglicherweise wieder bei einem traumabezogenen Erklärungsmodell.
- Genetische Faktoren: Manche Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Gene mit einer erhöhten Reizverarbeitung und emotionalen Sensitivität in Verbindung stehen können.
- Evolutionäre Perspektiven: Es gibt Theorien die besagen, dass Hochsensibilität eine evolutionäre Anpassung sein könnte, die es ermöglicht, Umweltgefahren und -chancen besser wahrzunehmen.
Eine mögliche Hypothese im Kontext von Hochsensibilität und Trauma könnte sein, dass es hochsensiblen Menschen aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen noch nicht gelingt ihre Grenzen und Körpergrenzen gut wahrzunehmen und sich sicher abzugrenzen. Schau mal, welche Ideen dies bei dir auslöst.
Überlappungen, Fehldiagnosen und Substanzkonsum
Einige Merkmale von Hochsensibilität können ähnlich sein, wie die von psychischen Erkrankungen. Hier kann es zu Verwirrungen oder Diagnoseüberschneidungen kommen. Zum Beispiel können sowohl hochsensible Menschen als auch Menschen mit ADHS, Schwierigkeiten haben, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und von äußeren Reizen leicht abgelenkt werden. Auch bei bestimmten Verhaltensweisen oder Symptomen wie impulsivem Handeln oder emotionaler Reaktivität kann es zu ähnlichen Erscheinungsbildern kommen.
Versuche immer kritisch zu bleiben und Diagnosen zu hinterfragen. Manchmal ist das schwierig, weil das Selbstwertgefühl oft verletzt ist. Mach dir klar, dieses gesamte Thema ist stigmatisiert und tabuisiert. Sinnvoller ist es zu verstehen, welchen Sinn Substanzen und Verhalten in diesem Kontext haben. Deshalb schauen wir uns jetzt mal die Stressachse an.
Jegliche Form von Hochsensibilität, sei es durch erworbene oder ererbte Faktoren bedingt, führt zu einem Leben mit einem stark erregbaren autonomen Nervensystem. Diese Hypersensibilität nutzt die feine Wahrnehmungsfähigkeit als eine Art frühzeitiges Warnsystem für das Nervensystem, um unerwarteten Reaktionen vorzubeugen „Immer auf der Hut“. Dies hat Vor- und Nachteile.
Eine Hypothese ist es, dass chronische Bindungstraumatisierung (auch transgenerational durch Epigenetik weitergegeben) zu einer Dysregulation der HPA-Achse führt und möglicherweise in Verbindung mit Hochsensibilität steht. Bindungstrauma/Entwicklungstrauma, insbesondere in der Kindheit, können langfristige Auswirkungen auf die neurobiologische Entwicklung haben und die Stressreaktion deines Körpers beeinflussen.
Zahlreiche Studien (u.a. van der Kolk 2015; Reddemann 2003, Porges 2021, Levine 2012) haben gezeigt, dass traumatische Erfahrungen die Stressantwort des Körpers verändern können. Die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse) spielt eine zentrale Rolle bei der Stressreaktion deines Körpers.
Diese Achse reguliert die Freisetzung von Hormonen, einschließlich Cortisol, als Reaktion auf Stress.
Bei traumatischen Erfahrungen kann es zu einer Dysregulation der HPA-Achse kommen, was bedeutet, dass die normale Stressreaktion gestört ist. Dies kann zu einer Überaktivierung oder Unteraktivierung der HPA-Achse führen, was sich in den bekannten Reaktionen Flight, Fright und Freeze äußern kann. In manchen Situationen kann der Körper in den Überlebensmodus schalten und verstärkt Stresshormone wie Cortisol ausschütten (Flight und Fright), während in anderen Fällen die Stressantwort gedämpft ist und der Körper in eine Art Erstarrungszustand verfällt (Freeze).
Diese Dysregulation der Stressachse kann langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Denn was uns körperlich und psychisch krank werden lässt, ist in der Regel Stress (Vulnerabilitäts-Stress-Modell). Eine dauerhaft gestörte Stressreaktion kann zu einem anhaltenden Ungleichgewicht von Stresshormonen führen, was wiederum die Stressbewältigungsfähigkeiten beeinträchtigen und u.a. die Funktionsweise des präfrontalen Kortex, Amygdala und Hippocampus beeinflussen kann. Diese Hirnregionen sind für die Regulation von Emotionen, Impulskontrolle und Entscheidungsfindung verantwortlich.
Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen auf die HPA-Achse und den präfrontalen Kortex können zu verschiedenen psychischen und physischen Gesundheitsproblemen führen, darunter Angststörungen, Depressionen, Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) und andere stressbedingte Erkrankungen.
Die Beziehung zwischen Bindungstraumata, HPA-Achse und Hochsensibilität ist komplex und tritt nicht zwangsläufig bei allen hochsensiblen Personen auf und soll dir, wie bei allen Beiträgen, nur eine mögliche Suchrichtung anbieten.
Sterotypying & Bias
Logischerweise fallen auch Männer unter dieses Persönlichkeitsmerkmal. Es ist möglich, dass du als Mann noch mehr Schwierigkeiten hast, deine Gefühle anzunehmen, aufgrund kultureller und geschlechtsspezifischer Stereotypen, und die Sätze bei dir eine Nummer heftiger ausfallen – du weißt, was ich meine: „Du bist doch kein Mädchen, heul nicht rum, Indianerherz kennt kein Schmerz“. Frauen sind an das Label histrionisch resp. hysterisch bereits seit Jahrhunderten gewöhnt. Es ist ein Zeichen von Stärke, sich seinen Gefühlen zu stellen und sie auf gesunde Weise zu verarbeiten. Denke daran: Sie sind dein Navi 😉
Toxische Scham und Hochsensibilität
Scham ist zunächst ein wichtiges Gefühl. Wir empfinden Scham, wenn wir soziale Regeln missachten und sie dient als sozialer Regulationsmechanismus. Du fühlst sie vor allem im Kopfbereich – er wird warm, die Wangen werden rot und du wendest den Blickkontakt ab. Es gibt eine Steigerung, die toxische Scham.
Als hochsensibler Mensch nimmst du Reize und Emotionen besonders intensiv wahr, und das kann manchmal überwältigend sein. Wenn du dann das Gefühl hast, dass du anders bist als andere, kann das zu Schamgefühlen führen. Hier entsteht die Scham aus einer negativen Selbstbewertung heraus.
Sie ist eine besonders schmerzhafte und destruktive Form der Scham. Sie entsteht oft in der Kindheit durch wiederholte traumatische Erfahrungen, Vernachlässigung oder Missbrauch (emotional, körperlich, sexuell) oder eben durch permanente Ablehnung, Abwertung und Kritik. Hier entsteht Scham zunächst durch negative Fremdbewertung und später durch internalisierte Selbstbewertung, im Sinne von: „Ich bin nicht richtig“.
Toxische Scham führt zu einem tiefen Gefühl der Wertlosigkeit, Selbstablehnung und einer Überzeugung, dass du als Person nicht liebenswert oder unzulänglich bist. Dein Selbstwertgefühl ist quasi rasiert. Diese Art von Scham kann dein Leben stark beeinträchtigen, da du ständig von Gefühlen der Unzulänglichkeit und der Angst vor Ablehnung begleitet wirst. Mach dir klar, dass dies eine Folge von Hochsensibilität resp. eine Traumafolge sein kann und du diesen Glaubenssatz ändern kannst. Luv ya!
Ich stehe dir mit DIVERSA und MPU Schlich Bonn diskret als Gesprächspartner auf Augenhöhe zur Verfügung, um Fragen zur Hochsensibilität im Zusammenhang mit Substanzkonsum und Fahrerlaubnisentzug zu besprechen. Du kannst mich kostenlos kontaktieren unter 01745795652.
Wenn du nicht aus Bonn kommst, ist das kein Problem. Wir können deine MPU Vorbereitung auch online machen, und das funktioniert sehr gut. Insbesondere wenn du dich bereits mit den Themen auf diesem MPU Blog auseinandergesetzt hast, könnte dieses Format gut zu dir passen. Lass uns gemeinsam daran arbeiten, deine Reflexion vertiefen und deine MPU zusammen schaffen! Das ist einfacher als du denkst. Eine ordentliche Portion Empowerment gibt es gratis dazu. Unter MPU Vorbereitungskurse online findest du für dich das richtige Tool.
Quellen und weiterführende Links
- Test für Hochsensibilität: Sensibilitätstest für Erwachsene, Hochsenibilitätstest englische Version
- Proud to be Sensibelchen
- Wissenschaftliche Community Sensibilitätsblog
- Zart besaitet
- Infobroschüre
- Lionetti, F., Aron, A., Aron, E.N. et al. (2018): Dandelions, tulips and orchids: evidence for the existence of low-sensitive, medium-sensitive and high-sensitive individuals. Transl Psychiatry 8, 24
- van der Kolk, Bessel A. (2015): Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann. Wegweisende Ressource über Entwicklungstrauma, die die neurobiologischen Aspekte und die Auswirkungen auf den Körper eingehend behandelt.
- Reddemann, Luise (2003): Imagination als heilsame Kraft. Ressourcen und Mitgefühl in der Behandlung von Traumafolgen.
- Fenner, D. (2021): Hochsensibilität: Phänomenologische und ethische Überlegungen.
- Bildnachweis Titel