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Trauma und Sucht - Welchen Einfluss haben sie auf deine MPU?

Trauma und Sucht sind eng miteinander verbunden und spielen möglicherweise eine wichtige Rolle in Bezug auf deine medizinisch psychologische Untersuchung (MPU). Vielleicht hast du bereits eine Vermutung, dass dein Drogen- oder Alkoholkonsum eine tiefere Ursache hat. Unbewusst spürst du vielleicht, dass der Konsum dich vorübergehend besser fühlen lässt und deine Stresssymptome oder unangenehmen Gefühle lindert. 

Besonders bei der Einnahme von Substanzen wie MDMA oder Psylocybin kann dieser Effekt verstärkt auftreten. MDMA kann dazu dienen, traumatische Erinnerungen zu überschreiben, jedoch erfordert dies spezifische Voraussetzungen und ein geeignetes Setting und die Party ist nicht wirklich geeignet. Warum das so ist, kannst du in diesem Beitrag erfahren. Mit MPU Beratung und Vorbereitung online und in Bonn habe ich mir zum Ziel gesetzt, dir hilfreichen Content zur Verfügung zu stellen – Empowerment!

Die Ursache für eine MPU entsteht nicht aus dem Nichts

Es besteht ein klarer wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen Trauma und Sucht, weshalb die Anordnung einer medizinisch psychologischen Untersuchung ihre Ursache hier haben kann. Eine MPU kann aufgrund von Drogenkonsum, Alkoholkonsum, Verkehrsdelikten, Straftaten oder Aggressionen angeordnet werden und ihren Ursprung in traumatischen Erfahrungen haben. Viele Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, greifen unbewusst zu Substanzen oder entwickeln süchtige Verhaltensweisen, um mit schwierigen Emotionen und Erinnerungen umzugehen.

Zur Regulation von Gefühlen oder Stress werden häufig Substanzen oder Aktivitäten eingesetzt. Alkohol, Drogen, Glücksspiel, übermäßiger Medienkonsum, Binge-Shopping oder Binge-Eating, schnelles oder riskantes Autofahren, andere riskante Tätigkeiten oder Verhaltensweisen, wie beispielsweise High Sensation Seeking, auch übermäßiges Arbeiten, riskante sexuelle Aktivitäten, Aggressionen, Gewalt oder Kriminalität können hier ihren Ursprung haben. So, du bist im Bilde. 

Gesellschaftliche Tabus verhindern Fortschritt in Deutschland

Obwohl Trauma und Sucht und Abhängigkeit so viele Menschen betreffen, sind sie in unserer Gesellschaft und unseren Familien oft tabuisiert und stigmatisiert. In therapeutischen Ansätzen wurde die Verbindung lange Zeit unterschätzt und übersehen. Andere Länder sind da fortschrittlicher unterwegs als Deutschland. Obwohl sich dies inzwischen teilweise geändert hat, ist dieses Wissen in der Fachwelt noch nicht ausreichend verbreitet. Eine korrekte Diagnose und umfassende Aufklärung können jedoch viel bewirken, nicht nur für die Gesellschaft, sondern vor allem für die betroffenen Personen, um sich selbst besser zu verstehen und anzunehmen.

Oft sind bei den Betroffenen Scham und Schuldgefühle mit diesen Themen verbunden (Stichworte: Sündenbock, Symptomträger, Schuldübernahme). Beim Thema Trauma und Sucht kumulieren die Tabus. Außerdem wird auch in professionellen Settings viel zu oft an Symptomen gearbeitet und die Ursache übersehen. Die Antidepressiva oder die Entfernung eines Darmabschnitts können Symptome lindern und sind eben oft nicht die Ursache deiner Beschwerden. Im schlimmsten Fall wird hier verschlimmbessert.

Wenn dich das Thema Trauma und Sucht betrifft oder interessiert, möchte ich dich ermuntern diese alten, verkrusteten Tabus zu brechen und dir deine eigenen Gedanken zu machen. Trau dich das. Ich möchte dir einige aufschlussreiche Erkenntnisse präsentieren. Wir werden uns damit beschäftigen, was Sucht und Bindungstrauma sind, wie Sucht und Emotionen zusammenhängen, wie Bindungs- und Entwicklungstrauma entstehen und welche Möglichkeiten es gibt, traumatische Erfahrungen achtsam zu integrieren.

Inhalt & Quick Links

Was bedeutet Trauma?

Schauen wir uns mal an, was eigentlich ein Trauma ist, damit später der Zusammenhang von Trauma und Sucht deutlicher wird. Ein Trauma bezeichnet eine starke seelische Verletzung, die durch ein extrem belastendes Ereignis oder eine Vielzahl kleinerer seelischer Verletzungen hervorgerufen wird. 

Es kann sich um ein einzelnes einschneidendes Ereignis handeln, wie beispielsweise einen Unfall, eine Naturkatastrophe oder eine Gewalterfahrung (Schocktrauma). Es kann aber auch durch wiederholte traumatische Erfahrungen entstehen, die über einen längeren Zeitraum auftreten, wie beispielsweise Vernachlässigung, Missbrauch oder wiederholte emotionale Verletzungen (Entwicklungs- oder Bindungstrauma). Wenn wir über Trauma reden, dann oft nur im Kontext Schocktrauma, dabei spielt Bindungstrauma eine sehr wichtige Rolle und wird oft übersehen!

Ein Trauma führt zu starkem seelischem Leiden, da das individuelle Erleben das Individuum physisch oder psychisch bedroht oder verletzt. Es kann zu einer Reihe von Symptomen und psychischen Reaktionen führen, wie zum Beispiel Flashbacks, Albträume, Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Hypoarousal bzw. Hyperarousal (geringe bzw. übermäßige Reizbarkeit), Vermeidungsverhalten und Schwierigkeiten mit deinen Gefühlen und Selbstregulation umzugehen sowie zu körperlichen Beschwerden, wie Herz-Kreislauf-, Autoimmun- und Darmerkrankungen. 

Welche Formen lassen sich unterscheiden?

  1. Entwicklungs- und Bindungstrauma (Vernachlässigung, Trennungen, Überbehütung, emotionale, körperliche, sexualisierte Gewalt)
  2. Schocktrauma (Krieg, Flucht, (Natur) Katastrophen, Unfälle, Überfälle)
  3. Sekundärtrauma (generationsübergreifende Traumata, Mitgefühlserschöpfung, Co-Trauma).

Was ist Bindung und welche Rolle nimmt Bindungsverhalten in deinem Leben ein?

Die Qualität der Bindungserfahrungen (Bindungsstile und Suchtentwicklung) in den frühen Lebensphasen spielt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Kindern. Wenn Kinder wiederholt traumatische Erfahrungen in ihren Beziehungen zu ihren Bezugspersonen machen, kann dies langfristige Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit und ihr Verhalten haben. Dieses Verhalten erfolgt mehrheitlich nicht absichtlich von den Bezugspersonen, sondern ist oft ein Resultat eigener, nicht verarbeiteter Trauma. Es ist ihrerseits meist mit Schuldgefühlen behaftet und wird in der Regel totgeschwiegen. Hier können oft unangenehme Dynamiken entstehen, die nur schwer auseinanderzufummeln sind, wenn du dich selbst in diesen Verstrickungen befindest. 

Bindungstrauma kann zu verschiedenen emotionalen und Verhaltensproblemen führen, wie zum Beispiel Schwierigkeiten im Umgang mit zwischenmenschlichen Beziehungen, Problemen bei der Regulation von Emotionen, geringem Selbstwertgefühl, Angststörungen und Depressionen. Diese Herausforderungen können dazu führen, dass Menschen in ihrem Leben nach Bewältigungsmechanismen suchen, um mit ihren emotionalen Schwierigkeiten umzugehen. Hier kann dann Trauma und Sucht eine Rolle einnehmen. Dazu später mehr.

Durch ein Trauma wird dein Sicherheitsgefühl nachhaltig zerstört

Eine traumatische Erfahrung bedroht dein Sicherheitsgefühl. Sicherheit ist ein grundlegender Zustand, der dein Lebensgefühl bestimmt, ohne dass du ihn im Normalfall zur Kenntnis nimmst.

Du gehst einfach davon aus, dass:

  • die Person, die als Kind auf dich aufpasst, dich nicht alleine lässt, emotional verfügbar ist, dich beschützt und deine Bedürfnisse angemessen beantwortet,
  • dein Partner es ehrlich meint, dich nicht belügt und betrügt oder sogar ein professioneller Betrüger oder Lover Boy ist,
  • dich niemand Zuhause oder auf der Straße einfach schlägt oder ausraubt,
  • das Haus, in dem du lebst, dir Sicherheit gibt und dort nicht permanent Streit herrscht, dass es weiter stehen bleibt und nicht von Wassermassen weggerissen wird, abbrennt oder zerbombt wird,
  • du nicht monatelang durch verschiedene Länder flüchten musst, um in einem sicheren Land anzukommen,
  • du in einem „sicheren“ Land angekommen bist und dich ohne Papiere verstecken musst.

Trauma kann dazu führen, dass dein grundlegendes Sicherheits- und Verbundenheitsgefühl urplötzlich und oft für immer weg bricht. Diese Erlebnisse führen dazu, dass du die Welt mit anderen Augen siehst und von überall Gefahr droht. 

Warum ist das so? Das liegt an der Reaktion deines Nervensystems. Mit der Herstellung der Kampf- oder Fluchtbereitschaft deines Körpers, solltest du die Möglichkeit bekommen, dich in Sicherheit zu bringen. 

Fight, Flight, Fright und Freeze - Lebensretter mit Langzeitfolgen

Kämpfen, Flüchten, Schreckstarre und Totstellreflex sind vier biologische Stressreaktionen und die neurobiologischen Abläufe der Reaktion von Tieren und Menschen auf Bedrohung. Sie ermöglichen die schnelle psychische und physische Anpassung an Gefahrensituationen und sollen dein Überleben sichern. Diese Reaktionen sind der Dreh- und Angelpunkt unserer Denkaufgabe!

  1. Kämpfen und Flüchten als biologische Reaktion, um der bedrohlichen Situation zu entkommen. Durch die Stressreaktion werden die notwendigen Ressourcen für den Körper bereitgestellt, um entweder mit Kampf oder Flucht auf die Bedrohung zu reagieren und ihr zu entkommen. Die Bereitstellung der Energie für diese Reaktion funktioniert ganz schnell über den Hypothalamus, der veranlasst die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin. Das erhöht die Atemfrequenz und den Blutdruck. Hinzu kommt das stoffwechselanregende Hormon Cortisol. Alle überflüssigen Systeme werden runtergefahren, wie das Immunsystem und die Verdauung. So sammelt der Körper alle Energie kurzzeitig für den Kampf oder die Flucht.
  2. Wenn dir der Reflex des Kampfes oder der Flucht nicht beim Überleben hilft oder die Situation ausweglos erscheint, dann folgt als nächstes Überlebensprogramm die Starre oder der Totstellreflex. Das Lebewesen ergibt sich der Situation und resigniert. Diese Reaktion kann in realen Gefahrensituationen hilfreich und lebensrettend sein. Bei dieser Reaktion wird der Puls heruntergefahren, Denken und Schmerzempfinden werden kurzzeitig ausgeschaltet und Erinnerungen danach sind kaum oder gar nicht vorhanden.

Schau dir diesen biochemischen Ablauf am Beispiel des Überlebenskampfes einer Gazelle an: Der Löwe ist auf der Jagd, um die Gazelle zu reißen. Der Gazelle gelingt es nach einigen Kilometern Sprint, zu entkommen. Sie gerät zunächst in einen Schockzustand. Ihr Stammhirn kennt – wie das des Menschen – nur die vier Handlungsebenen: Kampf und Flucht sowie die Erstarrung und den Totstellreflex.

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image credit: andyellowood

Zunächst werden Adrenalin u.a. freigesetzt, um genügend Energie für Flucht oder Kampf freizusetzen. Gelingt es der Gazelle, sich zu befreien und wegzuspringen, wird das Stresshormon Adrenalin bei der Flucht wieder abgebaut. Wenn sie sich in Sicherheit befindet, bleibt sie stehen und zittert am ganzen Körper, wodurch der Rest der Hormone entladen wird. Instinktiv schüttelt sie sich die Todesangst und ihren Stress weg. 

Wenn der Löwe sie jedoch erwischt und die Situation ausweglos erscheint, dann stellt sie sich tot. In manchen Situationen kann der Totstellreflex lebensrettend sein und der Jäger lässt von seiner Beute ab. Wenn du gefressen wirst, hilft diese Reaktion dir dabei, dass es dir leichter fällt, weil du beispielsweise keine Schmerzen mehr empfindest 😉 Das gleiche Verhalten kannst du bei einer heftigen Schlägerei und ähnlich bedrohlichen Situationen beobachten. 

Symptome nach traumatischen Erfahrungen

Du hast gesehen, dass dein Nervensystem verantwortlich ist für die Antwort auf bedrohliche Erfahrungen. Quasi als Überlebensmechanismus. Die Symptome von Trauma können unterschiedlich sein und hängen von der Art des Traumas, der individuellen Erfahrung und anderen Faktoren ab. Bleibt ein Trauma unverarbeitet, kann es chronisch werden und zeigt sich über folgende Reaktionen deines autonomen Nervensystems (ANS).

  1. Übererregung/Hyperarousal (Kampf- oder Flucht = Sympatikus aktiv) macht sich bemerkbar durch vermehrte Anspannung und Schwierigkeiten zu entspannen, Reizbarkeit, Aggressivität, Konzentrationsstörungen, übermäßige Wachsamkeit, Schreckhaftigkeit, Angst und Panik, Ein- und Durchschlafstörungen, Albträume und psychosomatische Symptome (Darm, Bauch, ♥️ Herz).
  2. Untererregung/Hypoarousal (Erstarrung, Totstellreflex, Parasympathikus ist aktiv = ventraler und dorsaler Zweig, hier dorsaler Vagus aktiv). Die Untererregung zeigt sich im Runterfahren deines Nervensystems, wie Erschöpfung, Kraftlosigkeit, Lustlosigkeit, Depression, Dissoziation, Flucht in andere Welten, Gefühl von Sinnlosigkeit, Gefühl von Abgeschnittensein von anderen Menschen.

Bei beiden Symptom-Arten kannst du dich außerdem fremd und anders fühlen und eine innere Einsamkeit und Unsicherheit spüren. Diese Symptome entstehen, weil die traumatische Erfahrung langfristig in deiner Seele, dem Gehirn und deinem Körper abgespeichert wird und bei ähnlich gelagerten Erfahrungen (Trigger, Flashback, Retraumatisierung), automatisiert von deinem Nervensystem wiederbelebt wird resp. dein Organismus im Dauerstress oder Shutdown festhängt.

Es kann auch sein, dass du zwischen Shutdown und Erregung hin- und herpendelst oder beide Zustände parallel in deinem Körper stattfinden. Das fühlt sich dann so an, als ob du mit 300 Stundenkilometer über die Autobahn fährst und dabei die Handbremse anziehst.

Diese biologischen Achsen sind der Dreh- und Angelpunkt der Symptome, obwohl die traumatische Erfahrung vielleicht schon Jahrzehnte zurückliegt!!! Jetzt kannst du erahnen, warum Substanzkonsum oder schnelles Autofahren zunächst scheinbar soviel mehr bringen als jahrelange Gesprächspsychotherapie. Mit Reden allein kannst du diese Stressachsen einfach nicht zur Ruhe bringen. Insbesondere dann nicht, wenn du da sitzt und eine ADHS-Diagnose oder ähnliches erhalten hast. Das kann gar nicht funktionieren.

Wenn diese biologischen Reaktionen chronisch werden, dann kannst du selbst es oft nicht richtig wahrnehmen und zuordnen, was mit dir los ist, weil du im Autopiloten unterwegs bist. Die Übererregung wird von dir selbst oder Experten vielleicht als Angst oder Stress interpretierst resp. die Unterregung als Depression. Ziel: Achtsam mitbekommen, was in deinem System geschieht und wodurch es ausgelöst wird. Dann die Integration: Zusammenführung von Körper, Geist und Seele, Nervensystem in Balance bringen über die Aktivierung des ventralen Vagus (vgl. Neurozeption, Porges). Hierfür ist die Einbindung deines Körpers maximal wichtig! 

Verlustängste und Bindungsängste durch unsichere Bindungserfahrungen

Außerdem führen traumatische Bindungserfahrungen oft dazu, dass du Verlust- oder Bindungsängste entwickelst, manchmal auch beides gleichzeitig oder dass du in bindungsrelevanten Lebenssituationen leicht getriggert wirst. Das kann zu Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere nahen Beziehungen führen, wie Familie, Liebe & Partnerschaft (toxische Beziehungen, On-Off Beziehungen) und Freundschaft. Dies ist ein besonders schmerzhaftes Traumaresultat und nicht leicht zu knacken.

Epigenetik und transgenerationale/kollektive Traumata

Was sich zunächst erstmal merkwürdig anhört, ist diese Tatsache: Du musst nicht selbst ein Trauma erfahren haben, um unter Traumasymptomen zu leiden. Ich zeige dir, wie das funktioniert, bevor ich genauer darauf eingehe, was kollektive Traumata sind.

Epigenetik beschäftigt sich mit der Auswirkung äußerer Einflüsse und Erfahrungen auf unser Erbgut. Nämlich wie die gesammelten Erfahrungen während des Lebens der Vorfahren, Großeltern und Eltern, einen Einfluss auf die Gene der Nachkommen haben und welche Rolle sie bei der Entwicklung der Kinder spielen. Frühere Annahmen besagten, dass unsere Gene unveränderlich sind und unser Schicksal vorbestimmen. Die Epigenetik hat jedoch gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. 

Epigenetik ist das Bindeglied zwischen Umwelteinflüssen und Genen und bestimmt, unter welchen Umständen welches Gen an- oder abgeschaltet wird (Genregulation). Epigenetische Veränderungen können auftreten, wenn bestimmte Gene ein- oder ausgeschaltet werden, ohne dass sich dabei die DNA-Sequenz selbst ändert. Du kannst dir das Vorstellen, wie der Dimmer an einer Lampe.

Diese Veränderungen können durch Umweltfaktoren wie Stress, Ernährung, Toxine und auch traumatische Erfahrungen beeinflusst werden. Es gibt wachsende Hinweise darauf, dass diese Veränderungen durch Traumata nicht nur die betroffene Person selbst, sondern auch nachfolgende Generationen beeinflussen können.

Hierüber können wir uns erklären, warum Bindungsverhalten und Traumata der Großeltern oder Eltern Auswirkungen auf das Leben der Kinder und Kindeskinder haben. Aber das funktioniert nicht nur auf individueller Ebene, sondern läuft auch auf der kollektiven Ebene (Kultur) ab. Du musst die Bedrohung also nicht selber erlebt haben, und leidest dennoch an denselben oder ähnlichen Symptomen, wie die Person oder das Kollektiv, dass diese Traumata erlebt hat. 

Wie immer, betrifft dies nicht jeden Menschen, der traumatische Erfahrungen gemacht hat, sondern ist immer auch von der jeweiligen Resilienz (erlernbare psychische Widerstandsfähigkeit) abhängig. Wenn dich das Thema Resilienz interessiert, dann kannst du bei der Pionierin Emmy Werner mehr darüber lesen. Hier findest du ihre Kauai-Studie.

Gesellschaftliche Traumata und Retraumatisierung

Es kann durch verschiedene Ereignisse ausgelöst werden, wie beispielsweise Kriege, Völkermorde, Naturkatastrophen, politische Repression, Sklaverei oder andere Formen von systematischer Unterdrückung. Diese Ereignisse führen zu weitreichenden psychischen, emotionalen und sozialen Auswirkungen auf die betroffenen Gemeinschaften.

Die Auswirkungen eines kollektiven Traumas können vielfältig sein. Es können wiederkehrende Flashbacks, Albträume und Angstzustände auftreten. Die betroffenen Gemeinschaften können auch mit erhöhter Aggression, Gewalt, Depression, Drogenmissbrauch, sozialer Isolation, Verlust des Vertrauens und der Solidarität sowie mit einer gestörten Identitätsentwicklung kämpfen.

Diese Traumata werden oft von einer Übertragung des Traumas über Generationen hinweg begleitet. Dies bedeutet, dass die Auswirkungen des Traumas von den Überlebenden auf ihre Nachkommen übertragen werden können, sei es durch familiäre Bindungen, kulturelle Normen oder ungelöste emotionale Probleme.

Inwiefern die vergangenen Pandemie-Jahre und die aktuellen Krisen dazu beigetragen, traumatisierte Individuen und Kollektive zu retraumatisieren, kannst du dir bei der klugen Michaela Huber einmal ansehen. Für ihre Forschungsarbeiten zum Thema Trauma sowie Trauma und Sucht und ihre Arbeit mit Betroffenen hat sie das Bundesverdienstkreuz erhalten.

Warum kann ein Trauma Suchtverhalten begünstigen?

Trauma und Sucht sind oft miteinander verbunden. Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, ein erhöhtes Risiko für Suchtverhalten haben:

  1. Zum einen kann das Trauma selbst das Gehirn verändern und die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin und Endorphinen beeinflussen, was dazu führen kann, dass du dich durch Substanzkonsum oder Verhaltensweisen vorübergehend besser fühlt.
  2. Zum anderen können traumatische Erfahrungen auch dazu führen, dass du Schwierigkeiten hast, mit Emotionen wie Angst, Wut, Traurigkeit, Schuld und Scham umzugehen. Substanzen oder Verhaltensweisen können dann als kurzfristige Bewältigungsstrategie genutzt werden, um diese unangenehmen Emotionen zu unterdrücken oder zu vermeiden.
  3. Trauma kann das Selbstwertgefühl und das Selbstbild beeinflussen. Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, können sich minderwertig oder ungeliebt fühlen und versuchen, diese negativen Gefühle durch den Konsum von Substanzen oder süchtigem Verhalten zu kompensieren. Dies kann vorübergehend zu einem Gefühl der Kontrolle, des Trostes oder der Belohnung führen. Langfristig eher kontraproduktiv.
  4. Des Weiteren kann das soziale Umfeld eine Rolle spielen. Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, haben möglicherweise Schwierigkeiten, stabile Beziehungen aufzubauen oder Vertrauen in andere Menschen zu entwickeln. Substanzkonsum oder süchtiges Verhalten kann dann als Ersatz für zwischenmenschliche Beziehungen dienen oder als Möglichkeit, sich vor weiteren Verletzungen oder Enttäuschungen zu schützen. Warum ist das so?
Trauma und Sucht
Der Zusammenhang von Trauma und Sucht

Polyvagaltheorie erklärt den Zusammenhang

Die Polyvagaltheorie von Stephen Porges ist eine wichtige Grundlage, um den Zusammenhang zwischen Trauma und Sucht zu verstehen. Die Theorie beschreibt, wie das autonome Nervensystem auf bedrohliche oder traumatische Situationen reagiert und wie dies das Verhalten und die Reaktionen eines Menschen beeinflusst.

Bei traumatischen Erfahrungen kann das autonome Nervensystem des Betroffenen in einen Überlebensmodus schalten. Erinnerst du dich an unseren Dreh- und Angelpunkt? Ich habe es oben beschrieben beim Ablauf der Körperreaktionen auf bedrohliche Lebenssituationen. Es gibt zwei Hauptreaktionen, die in diesem Zusammenhang auftreten können, obwohl die Gefahr schon nicht mehr stattfindet:

  1. Hyperarousal (Übererregung): Der Betroffene befindet sich in einem Zustand erhöhter Alarmbereitschaft. Das sympathische Nervensystem ist aktiviert, was zu einer erhöhten Herzfrequenz, gesteigertem Stresslevel und intensiven Angst- und Panikgefühlen führen kann. Menschen in diesem Zustand können versuchen, durch Substanzkonsum oder andere Suchtverhaltensweisen vorübergehend Entlastung und Beruhigung zu finden.
  2. Hypoarousal (Untererregung): Der Betroffene kann sich in einen Zustand der Erstarrung oder der Abstumpfung begeben. Das parasympathische Nervensystem übernimmt die Kontrolle, was zu einer verminderten Herzfrequenz, Gefühlsbetäubung und einem Gefühl der emotionalen Abstumpfung führen kann. In diesem Zustand können Menschen versuchen, durch Substanzkonsum oder süchtige Verhaltensweisen eine Art „Erweckung“ oder Stimulation zu erfahren. Schau auch mal in den Artikel zu Alexithymie, Trauma, Sucht und Führerschein rein.

Die Polyvagaltheorie betont auch die Bedeutung sicherer Beziehungen und sozialer Unterstützung bei der Regulation des autonomen Nervensystems. Wenn Menschen traumatische Erfahrungen gemacht haben und Schwierigkeiten haben, Beziehungen aufzubauen oder Vertrauen zu entwickeln, können Substanzen oder Suchtverhalten als Ersatz für fehlende zwischenmenschliche Verbindungen dienen.

Die Aufarbeitung von Trauma und Sucht erfordert daher eine integrative Herangehensweise, bei der sowohl die traumatischen Erfahrungen als auch das Suchtverhalten selbst berücksichtigt werden. Indem die zugrunde liegenden traumatischen Erfahrungen verarbeitet werden und alternative Bewältigungsstrategien entwickelt werden, kann man lernen, gesunde Wege zur Regulation des autonomen Nervensystems und zur Bewältigung von Stress zu finden. 

Eine professionelle Begleitung, die sich auf Trauma und Sucht spezialisiert hat, kann in diesem Prozess von großer Bedeutung sein. Dabei ist es wichtig, dass immer Körper, Seele und Geist einbezogen werden, damit eine Reintegration stattfinden kann. 

Du versuchst, dein Trauma in Alkohol zu ertränken? Mach dir keine Hoffnung: Dein Trauma kann schwimmen.

Fehleinschätzungen, Stigmatisierung und unzulässige Komplexitätsreduktion!

Beim Vorliegen von Trauma und Sucht können Fehldiagnosen wie Depression, ADHS, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angst- und Panikstörungen, Herz-Kreislauferkrankungen oder Darmerkrankungen auftreten. Hier sind einige Gründe, warum dies geschehen kann:

Überlappung von Symptomen:  Diese gemeinsamen Symptome können zu einer Fehlinterpretation und einer falschen Diagnose führen und zu einer Verschlimmerung der ganzen Situation durch Retraumatisierung  und Labeling approach.

Trauma-bedingte Veränderungen im Gehirn und Körper: Traumatische Erfahrungen können Veränderungen im Gehirn und im Körper verursachen, die zu einer Vielzahl von Symptomen führen können. Diese Veränderungen können die Art und Weise beeinflussen, wie das Gehirn mit Stress umgeht, Emotionen reguliert und Informationen verarbeitet.

Trauma und Sucht können eine Vielzahl von Symptomen verursachen, die denen anderer psychischer oder körperlicher Erkrankungen ähneln. 

Beispielsweise können sowohl Traumata als auch Suchterkrankungen Symptome wie depressive Verstimmung, Konzentrationsprobleme, emotionale Instabilität, Angstzustände und körperliche Beschwerden hervorrufen. Sie können auch das Immunsystem, das Herz-Kreislauf-System und den Verdauungstrakt beeinflussen. Diese Veränderungen können zu Fehldiagnosen führen, wenn die zugrunde liegenden traumatischen Erfahrungen nicht angemessen berücksichtigt werden.

Stigmatisierung und Scham: Trauma und Sucht sind oft von Stigmatisierung und Scham begleitet. Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben oder mit Suchtproblemen kämpfen, können zögern, ihre Symptome offen zu kommunizieren oder professionelle Hilfe zu suchen. Dies kann zu einer unvollständigen Erfassung der zugrunde liegenden Probleme führen und die Wahrscheinlichkeit von Fehldiagnosen erhöhen.

Indem wir Trauma und Sucht als komplexe, miteinander verbundene Phänomene betrachten und Tabus brechen können wir Fehlinterpretationen reduzieren.

Kann ein Trauma heilen?

Manche Forschungsarbeiten zur Epigenetik gehen davon aus, dass sich z.B. durch eine stressfreie Umgebung, genetische Effekte umkehren lassen. Außerdem ist dein Gehirn lebenslang in der Lage sich weiterzuentwickeln (Neuroplastizität) und sich an die Lebensbedingungen anzupassen.

Durch die Aufrechterhaltung der Verknüpfung von Trauma und Sucht resp. einen Substanzkonsum verzögerst du die Heilung, weil du neue Stressreize setzt und ungeübt darin bleibst, deine Gefühle wahrzunehmen, zu benennen und zu regulieren. Im MPU Blog findest du einige hilfreiche Beiträge zu diesem Thema.

Heilungsansätze

Die Bewältigung eines Traumas erfordert Zeit, Geduld und möglicherweise professionelle Unterstützung. Hier sind einige Ansätze und Techniken, die dir helfen können:

  • Traumatherapie: Es gibt verschiedene therapeutische Ansätze, die speziell für die Behandlung von Traumafolgestörungen entwickelt wurden. Dazu gehören beispielsweise EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing), Somatic Experiencing und MDMA-Therapie. Diese Therapien können helfen, das Trauma zu verarbeiten, belastende Erinnerungen zu bearbeiten und die Symptome zu lindern.
  • Achtsamkeit und Meditation: Achtsamkeitsbasierte Ansätze, wie beispielsweise die MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction) oder andere Formen der Meditation, können dabei helfen, sich im gegenwärtigen Moment zu verankern, die eigenen Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen und eine größere Akzeptanz für das Erlebte zu entwickeln. Durch regelmäßige Praxis können Achtsamkeit und Meditation zur Selbstregulation beitragen und den Heilungsprozess unterstützen.
  • Körperorientierte Ansätze: Körperorientierte Methoden wie Yoga und Somatic Experiencing oder Sensorimotor Psychotherapy fokussieren auf die Integration von Körperempfindungen, um traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Diese Ansätze berücksichtigen, dass das Trauma nicht nur auf der emotionalen Ebene, im Verstand, sondern auch im Körper gespeichert ist, und helfen dabei, die körperlichen Reaktionen und Empfindungen zu regulieren.
  • Unterstützung und soziale Bindungen: Eine stabile und unterstützende soziale Umgebung kann einen wichtigen Beitrag zur Heilung von Trauma leisten. Unterstützung von Familie, Freunden oder Selbsthilfegruppen kann dazu beitragen, das Gefühl von Verbundenheit und Sicherheit wiederherzustellen. Das Teilen von Erfahrungen mit anderen Betroffenen kann entlastend sein und den Austausch von Bewältigungsstrategien ermöglichen.

Genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz 🙂 Kennst du das Gefühl, alles alleine schaffen zu müssen oder die familiären Geheimnisse bloß nicht offen zu legen, alles unter den Teppich zu kehren? Dich selbst für alles schuldig und verantwortlich zu fühlen? Dies können Traumafolgen sein 😉 Lass uns Tabus brechen!

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Quellen und weiterführende Links zu Trauma und Sucht:

  • CANSAS Projekt
  • Bessel van der Kolk (2014): The Body Keeps the Score: Brain, Mind, and Body in the Healing of Trauma
  • Michaela Huber (2015): Trauma und Bindung: Die Auswirkungen von traumatischen Erfahrungen und Wissen über Bindung auf die Psychotherapie.
  • Deb Dana (2018) Polyvagal Theory in Therapy: Engaging the Rhythm of Regulation  – beschreibt die Anwendung der Polyvagal-Theorie in der therapeutischen Praxis und beinhaltet praktische Übungen zur Regulation des Nervensystems.
  • Stephen Porges (2017): The Pocket Guide to the Polyvagal Theory: The Transformative Power of Feeling Safe  – Leitfaden zur Polyvagal-Theorie und ihrer Anwendung in der Selbstregulation und in der therapeutischen Praxis.
  • Feduccia A, Mithoefer A, Wagner M: 3,4-methylenedioxymethamphetamine (MDMA)-assisted psychotherapy for post-traumatic stress disorder in military veterans, firefighters, and police officers: a randomised, double-blind, dose-response, phase 2 clinical trial. Lancet Psychiatry, 1. Mai 2018
  • Titelbild Trauma und Sucht – @canbedone iStock

2 Kommentare zu „Trauma und Sucht“

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